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Mittwoch, 25. Mai 2011

Pass und Ereignis: Der Stil des FC Barcelona

Pass und Ereignis: Der Stil des FC Barcelona
Am Samstag findet zwischen Manchester United und dem FC Barcelona das Endspiel in der Champions League statt. Von Hans Ulrich Gumbrecht

Vor zwei Jahren standen sich im Finale der Champions League Barcelona und Manchester United gegenüber. Erinnert man sich noch? Barcelona war nur knapp durchs Halbfinale gekommen, durch ein spätes Tor und ein paar groteske Entscheidungen eines norwegischen Schiedsrichters, die Chelsea London den verdienten Sieg genommen hatten. In den ersten Minuten des Endspiels war es erneut die englische Seite, die dominierte. Cristiano Ronaldo hätte gleich bei seinem ersten Ballkontakt dem Spiel eine andere Wendung geben können. Aber dann war es Samuel Eto'o, der sein erstes Endspiel für Barça bestritt, der nach zehn Minuten und einem unwiderstehlichen Lauf das erste Tor schoss, und danach begann Barcelona von Minute zu Minute immer schöner und immer sicherer zu spielen. Und spielte schließlich besser als je eine Mannschaft zuvor gespielt hatte in der Geschichte des Fußballs - schlafwandlerisch, in Verzückung, als könne nie etwas schiefgehen, anstrengungslos, zwingend und bezwingend. Ein Kopfball von Lionel Messi, den ein Zwerg wie er eigentlich gar nicht hatte erreichen können, machte klar, dass diese Perfektion an etwas Ungesehenes heranreichte - einen Stil, den man sich zuvor nicht einmal vorstellen konnte.

Doch was war so neu an der Art dieses Sieges? Die siebziger und achtziger Jahre waren eine Epoche überragender Individualisten: Man denke an den späten Pelé, an Johan Cruyff, Franz Beckenbauer und, vor allem, an Diego Maradona. Anders als ihre heutigen Nachfolger hatten sie genug Raum und Zeit, um den Ball durchs Mittelfeld zu tragen und sich dann zu entscheiden, zu wem sie ihre genialen und "tödlichen" Pässe schlagen wollten. Es war nicht zufällig die Zeit, als die Rolle des "Libero" erfunden wurde, eines Spielers also, der aufgrund seiner Technik sich "frei" von Belästigungen durch gegnerische Spieler halten konnte. Schon während der Weltmeisterschaft in Italien 1990 aber gelang es Maradona nicht mehr, diesen Stil durchzuhalten; zum Spieler des Turniers wurde Lothar Matthäus, ein Mittelfeldspieler mit sehr viel mehr Athletik, Geschwindigkeit, Ausdauer, Kraft.

Im Rückblick erscheint die Ablösung Maradonas durch Matthäus als entscheidender Wendepunkt. Einer aus der alten Zeit notierte damals, das Spiel sei nun zur "Leichtathletik mit einem Ball" geworden. Die Folge war, dass jeder einzelne Spieler immer weniger Zeit hatte, um den Ball zu stoppen und zu passen. Sich nach einem ungedeckten Stürmer umzuschauen war aufgrund des physischen Drucks der Gegner bald völlig unmöglich geworden - es entstand der "One touch"-Stil, bei dem Annehmen und Passen praktisch dasselbe sind. Es kam die Epoche von Zinédine Zidane, in der jeder Ball sofort weiterzuspielen war, so lange, bis eine kleine Lücke in der Verteidigung die Möglichkeit zu einem steilen Pass in den Strafraum bot.

Heute kann es sich kein Spieler mehr leisten, sich nur um eine Position und die entsprechenden Quadratmeter auf dem Spielfeld zu kümmern. Was Inter Mailand in den frühen Siebzigern mit einigen außerordentlichen Verteidigern vorweggenommen hatte, die auch Angreifer waren, und was kurz darauf die holländische Nationalmannschaft mit ihrem "totalen Fußball" anstrebte, wurde jetzt zur allgemeinen Norm. Das ging anfangs zu Lasten der Schönheit. Nur wenige Spieler, wie Ronaldinho in seiner besten Zeit, waren gut genug, den Ball unter diesen Umständen elegant zu spielen. Die Balance zwischen technischen Fähigkeiten und Athletik schien verloren. Der Zufall schien das Spielgeschehen stark zu bestimmen.

Während der Saison 2008/2009 wurde der FC Barcelona die erste Mannschaft in der Geschichte des Fußballs, die genug Spieler hatte, deren Fähigkeiten am Ball mit ihrer physischen Stärke so Schritt hielten, dass der One-touch-Stil gespielt werden konnte, ohne das Spiel dem Zufall auszuliefern. Das Champions-League-Finale von Rom wurde zum Ereignis, weil eine Mannschaft zu sehen war, für die Druck kein Grund war, auf Präzision zu verzichten; ein Team, das überhaupt nur noch Pässe und Torschüsse kannte und auch im eigenen Strafraum nur Pässe spielte; das nur noch den Gegner überraschte, niemals sich selbst; das keine Genies mehr brauchte. Der Gegensatz von Erfolg und Schönheit war beseitigt. Der Fußball hatte fast zwanzig Jahre lang dafür gebraucht, aber jetzt war der neue Stil da.

Diese Wende machte schlagartig wieder deutlich, was Hunderttausende in den Stadions und Hunderte von Millionen an den Geräten anzieht: dass die Begeisterung für Teamsportarten einfach nicht nur darin liegt, das eigene Team gewinnen zu sehen. Was in erster Linie begeistert, ist die ästhetische Erfahrung im vollen philosophischen Sinne des Wortes. Was die Fans sehen wollen, sind schöne Spiele, hervorgebracht von Mannschaften, unwahrscheinliche Schönheit, die das andere Team zu verhindern sucht und die stets zu verschwinden beginnt, kaum dass sie entstanden ist. Umso besser, wenn das zu Toren führt, umso besser, wenn das eigene Team gewinnt. Aber aus der Sicht des Betrachters muss man den Satz umkehren, wonach Schönheit im Spiel allenfalls ein Mittel zum Zweck ist. Im Gegenteil: Wir schauen mit dem größten Vergnügen, wenn der Zweck des Gewinnens zum Mittel eines schönen Spiels wird.

Dafür stand der FC Barcelona in der Saison 2008/2009. Unnötig zu betonen, dass es keine Absicht von Joan Laporta, Pep Guardiola oder ihrer Spieler war, schön zu spielen. Aber der Pragmatismus stellte sich für den Zuschauer in den Dienst der Ästhetik. Dass Barcelona die Lösung gelang, brachte dem Team damals alle drei nationalen und internationalen Titel ein, die in einer Saison möglich sind. Und man gewann sie sehr leicht, kein anderes Team hatte ein Mittel gegen jenen Stil.

Unbesiegbar waren sie nicht, wir hatten das Halbfinale gegen Chelsea schon erwähnt. Sie schienen nur unbesiegbar, vor allem in der Zeit nach dem ChampionsLeague-Titel. Ästhetisch betrachtet, war der FC Barcelona 2009/2010 nicht weniger eindrucksvoll als die Mannschaft der Vorsaison, aber nun gelang ihm der Gewinn der Champions League nicht noch einmal. Und auch wenn Barça im Halbfinale, das er gegen Inter Mailand verloren, besser spielte als in jenem, das er gegen Chelsea gewonnen hatten, lag doch etwas Bezeichnendes in jener Niederlage 2010.

Denn sie erfolgte gegen eine Mannschaft, deren Trainer, José Mourinho, eine spezielle Strategie gegen Barcelonas neuen Stil ersonnen hatte. Sie beruhte auf der Einsicht, dass Barças Prinzip, den Ball in langen Sequenzen von Pässen so lange "einzufrieren", bis eine Torchance herausspringt, durch schnelle Attacken mit Steilpässen verwundbar ist. Außerdem minimierte Inter Mailand die wenigen Chancen, die Barcelona braucht, durch bedingungslose Verteidigung; bedingungslos, weil sie beim Verteidigen so gut wie nie an den nachfolgenden Angriff dachte. Vom Gesichtspunkt der Ästhetik - und dem Barcelonas - aus betrachtet, war es niederschmetternd, wie schnell auf diese Weise dem neuen Stil seine Grenzen gezeigt wurden. Gegen Inter Mailand sah er plötzlich wie Handball ohne Angriffszeitbegrenzung aus, endloses Hin- und Herpassen, endloser Ballbesitz auf der Suche nach einer Lücke in einer Mauer, die ihrerseits gar nichts tut, um an den Ball zu kommen. Nicht einmal der unglaubliche Lionel Messi kam durch diese Mauer, weil immer zu viele Verteidiger vor ihm standen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die spanische Nationalmannschaft, die 2010 Weltmeister wurde, eine in der Abwehr verbesserte Version des FC Barcelona war. Wenig überraschend darum, dass auch dieses Team seine Schwierigkeiten hatte und gegen die Schweiz verlor, die von einem der abgezocktesten Verteidigungsstrategen der Welt, Ottmar Hitzfeld, trainiert wurde. Fast alle anderen Spiele gewann Spanien mit 1:0 in jenem Handball-Stil, der den Angriff als Belagerung praktizierte. Doch nicht eine Minute lang war dieses Spiel so schön wie das von Barcelona im Finale von 2009. Im Gegenteil: Dass Lionel Messi für Argentinien spielte, ließ die Wahrscheinlichkeit, eine Lücke in der gegnerischen Verteidigung zu finden und zu nutzen, weiter zurückgehen. Ein hinreißender Stil war plötzlich zu einem pragmatischen Erfolgsrezept geworden.

Die Aura des Spiels von Barça 2008/2009 ist dadurch nur größer geworden. Und der WM-Titel hat Barcelonas Status befestigt. Den doppelten Erfolg zu erklären, dazu gehören mit Inspiration, Enthusiasmus und Spielrausch Größen, die sich dem Verstand entziehen. Andererseits steht die Ausgeglichenheit des Teams von Barcelona bis heute als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren außer Zweifel. Piqué, Puyol, Xavi, Busquets, Iniesta, Pedro und Messi sind Stars, aber keiner beansprucht eine Führungsrolle. Sie sind untereinander austauschbarer als die Spieler jedes anderen Spitzenteams auf der Welt. Dass ihr Trainer ein Mittelfeldspieler Barcelonas war, der nicht älter ist als seine ältesten Spieler, hat gewiss zu dieser Nutzung von Homogenität beigetragen.

Sollte die Homogenität einer Mannschaft überhaupt eine Kehrseite haben, dann liegt sie in Barcelonas Problem, bedeutende neue Spieler zu integrieren. Man hat diese Probleme mit Thierry Henry gehabt, mit Zlatan Ibrahimovic und selbst Guardiolas zu langes Zögern, den Deutschen Mesut Özil einzukaufen, hängt damit zusammen. Schließlich handelt es sich inzwischen um eine Art katalanische Nationalmannschaft, més que un club, mehr als ein Verein. Das teilt sich selbst den Nichtkatalanen im Team mit. Weltweit haben sich die Medien und die Fans daran gewöhnt, den FC Barcelona als die beste Mannschaft unserer Zeit zu feiern, als eine Mannschaft, an deren Stil alle anderen, auch die Nationalmannschaften, zu messen sind. Bisher hat die zu Ende gehende Saison diesen Status nur bestätigt. Barça gewann die spanische Meisterschaft noch überlegener als in den vergangenen Jahren, Messi hat mehr Tore geschossen als je zuvor, und dass Real Madrid den spanischen Pokal, die "Copa del Rey", geholt hat, gilt zumindest für die katalanischen Anhänger bloß als ein Schönheitsfehler - da es der Mannschaft von José Mourinho im gleich darauf folgenden Halbfinale der Champions League ja nicht gelungen ist, sich mit jener destruktiven Strategie durchzusetzen, die Inter Mailand 2010 zum Erfolg geführt hatte.

Für die Neuauflage des Endspiels von 2009 stellt sich die Frage, ob der Abstand zwischen dem FC Barcelona und Manchester United geringer geworden ist und unter welchen Bedingungen Manchester eine Chance haben könnte. Dass Sir Alex Ferguson, der erfahrenste, ehrgeizigste und wohl auch intellektuell flexibelste Trainer, einfach darauf setzen wird, Barça nicht ins Spiel kommen zu lassen, lässt sich wohl ausschließen. Wer gesehen hat, wie souverän Manchester United seine Führung in der englischen Liga bis zur Meisterschaft vergrößert hat, wie mühelos sich die Mannschaft in den aufeinanderfolgenden Runden der Champions League durchsetzte, der weiß, dass der Herausforderer in der Kombination von Schnelligkeit und Technik noch besser geworden ist. Darüber hinaus verfügt Ferguson über mehr Spieler als Guardiola, vor allem über junge Spieler in der Offensive, die mit und um Wayne Rooney für Torgefahr sorgen können: Chicharito Hernández, Nani, Valencia, Anderson (keiner von ihnen aus den britischen Ligen), um nur einige zu nennen.

Das könnte auch bedeuten, dass Manchester United, wenn die Mannschaft ins Spiel kommt, mittlerweile ein stärkeres Überraschungspotential hat als der FC Barcelona. Darin liegt eine Ähnlichkeit zwischen dem Herausforderer im Champions-League-Finale und der deutschen Nationalmannschaft, die in Südafrika vor einem knappen Jahr so beeindruckte. Aber diese junge Nationalmannschaft ist an Spanien, dem späteren Weltmeister, vor allem wegen der Erfahrung und der physischen Überlegenheit der Spieler aus Barcelona gescheitert.

Aus dem Amerikanischen von Jürgen Kaube.


Text: F.A.Z., 25.05.2011, Nr. 121 / Seite N3

Mittwoch, 11. Mai 2011

Ai Weiwei - und die Menschenrechtspolitik des Hamburger Senats

Bitte unterstützen Sie den Offenen Brief

An den Senat und die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg
Email an: peterschwan@gamil.com oder helmut-steckel@gmx.de


Städtepartnerschaft mit Shanghai bis zur Befreiung von Ai Weiwei aussetzen!

"China Time" bis zur Befreiung von Ai Weiwei nicht organisieren!

Wir selbst werden bis zur Freilassung von Ai Weiwei nicht mit offiziellen chinesischen Stellen zusammenarbeiten.



Aus Protest gegen die Verhaftung des Künstlers Ai Weiwei hat die Hamburger Bürgerschaft am 14.4.2011 einstimmig beschlossen:
"(...)Die Bürgerschaft verpflichtet sich:
im Rahmen der bestehenden Städtepartnerschaften und der vielfältigen wirtschaftlichen Beziehungen mit China die Wahrung der Menschenrechte stärker in den Fokus zu stellen und die Kammern um Unterstützung zu bitten."
Und:
„sich bei allen Gesprächen mit politisch Verantwortlichen in China, insbesondere in Hamburgs Partnerstadt Shanghai, für eine Verbesserung der Menschenrechtssituation einzusetzen und sich unmissverständlich gegen die massiven Einschränkungen der Menschenrechte in der Volksrepublik China zu positionieren.“

"Stärker " und "unmissverständlich"!

In der Tat waren die bisherigen Reaktionen auf die massiven Menschenrechtsverletzungen in China nicht stark genug und sie waren missverständlich.

Wer immer wieder gerne mit Wirtschaftsdelegationen und im "Kulturaustausch" nach Shanghai reist und staatlich gelenkte Delegationen von dort empfängt, , wer alle zwei Jahre das große kulturelle Festival "China Times" in der Hansestadt organisiert und davon auch nicht ablässt, wenn die vorgetragene Kritik an den brutalen Menschenrechtsverletzungen höhnisch zurückgewiesen wird, der darf sich nicht wundern, dass er als "nicht stark" und als "missverständlich" wahrgenommen wird.
Er verliert zudem seine Würde, wenn er die eigenen Werte und Rechtsgrundsätze selbst nicht ernst nimmt.

In der FAZ am 19.4.2011, heißt es dazu:

„Seit Jahren stützen Unternehmer und Wirtschaftspolitiker die dubiose Führung geradezu selbstvergessen. Sie rechtfertigen dies mit der Bedeutung des Marktes und der Verbesserung der Lage durch die Einwirkung von außen. Doch nicht erst seit Liu und Ai ist klar: Der Wandel durch Anbiederung ist gescheitert. Die unkonditionierten Wohltaten haben das repressive System noch gefestigt. (“Kriecherei in Fernost“)


Wir fordern Senat und Bürgerschaft der Freien und Hansestadt auf, den eigenen Beschluss vom 14.4.2011 ernst zu nehmen und stark und unmissverständlich für Freiheits- und Menschenrechte in China einzutreten!

Keine Kumpanei mehr mit der repressiven Chinesischen Staatsführung und ihren Behörden!

Keine Beteiligung an den Versuchen des Chinesischen Staates mit Kulturveranstaltungen in Hamburg heuchlerische Weißwäscherei und Imagepflege zu betreiben!
Keine partnerschaftliche Zusammenarbeit mehr mit dem Konfuzius-Institut in Hamburg!

Keine Städtepartnerschaft mit Shanghai und die „China Time“ mehr, die nicht zu einer Veränderung für die unterdrückten, verhafteten, gefolterten und drangsalierten Menschen in China führt.