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Sonntag, 28. Februar 2010

Der "böse" Zasrtrow-Kommentar zu Käßmann

Käßmann
Von Volker Zastrow
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28.02.2010, Nr. 8 / Seite 10

Politiker treten nicht zurück, weil sie wollen. Politiker treten zurück, weil sie müssen. Margot Käßmann musste zurücktreten - aber wir wissen nicht, warum. Sicher nicht aus Tapferkeit, wie Zeitungen titelten. Ihren Rücktritt hatte kaum jemand gefordert - denn so gut wie jeder, der einen Führerschein besitzt und Alkohol trinkt, hat in dieser Hinsicht kein reines Gewissen. Obendrein hatte sich der EKD-Rat bereits hinter seine Vorsitzende gestellt. Die trat dennoch zurück und machte daraus gleich wieder, was sie aus allem macht: ein Superding in eigener Sache, ihr Ding. Frau Käßmann zollte sich auch bei dieser auf den ersten Blick nicht einmal so günstigen Gelegenheit "Respekt und Achtung" und rühmte sich ihrer "Geradlinigkeit".

Es gibt Leute, die es kalt berührt, wenn jemand so treuherzig sein Eigenlob singt, und das noch in Verbindung mit jener Banalität des Blöden, die sich in Trunkenheitsdelikten am Steuer verwirklicht. Manch einen graust es gar, wenn das den Anlass überstrapazierende "zutiefst bereuen" gleich mit dem praktischen Autocredo kombiniert wird, tiefer als in Gottes Hand könne "du", sprich: "ich", sowieso nicht fallen. Also ziemlich hoch. Doch andererseits haben derlei narzisstische Inszenierungen auch viel hingerissenes Publikum - klar, das ist schließlich der Deal. Botschaften in selbstgerechter Sprache generieren dankbare Abnehmer. Es ist nichts gut in Afghanistan, es gibt kein Bier auf Hawaii.

Wer sein Publikum braucht, um sich Respekt und Achtung zu zollen, tritt nicht ohne Not von einem Amt zurück, das er mit jeder Faser geradlinig erstrebt und endlich errungen hat. Und schwerlich aus den von Käßmann genannten, großartigen Gründen. Nein, es gibt vermutlich andere, solche, die wir nicht kennen, die aber an den Tag gekommen wären, wenn Käßmann im Amt ausgeharrt hätte - und die sie es dann unweigerlich gekostet hätten. Dergleichen läuft nach Schema F, so toll und tapfer ist es nicht. Aber was eigentlich los war, geht dann niemanden mehr an, man kann stattdessen über Sexismus o. Ä. konfabulieren, und wer die wahren Hintergründe kennt, schweigt. Selbst große, laute Zeitungen.

Was wollten Sie sagen? Margot Käßmann sei keine Politikerin?

Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 28.02.2010, Nr. 8 / Seite 10

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